Angelika Treibel 
     
   
      

Erforschtes
            Einige persönliche und grundlegende Gedanken zum Thema "Forschung" im Themenbereich "hilfreicher Umgang mit hoch belastenden Ereignissen"
       
Im Jahr 1999 hatte ich das Glück, im Rahmen meines Psychologie-Studiums an einem Seminar von Nicola Döring teilzunehmen. In diesem Seminar habe ich zum ersten Mal eine eigene Forschungsfrage bearbeitet. Es ging um Internetangebote für Frauen, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Damals war das Internet noch sozialwissenschaftliches Neuland. 
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Das Seminar war Grundstein und Zündfunke für die nächsten Jahre, in denen ich Forschungsprojekte initiiert und mitgetragen habe. Ich hatte Freude daran, mir Wissen zu erarbeiten und die Fragen, die mich beschäftigen, durch systematische Erkundung zumindest in Teilen beantworten zu können. Alle Fragen hatten einen starken Praxisbezug. Für mich persönlich waren und sind "Forschung" und "Praxis" untrennbar miteinander verbunden. Aus allen Forschungsprojekten habe ich Erkenntnisse gezogen, die für meine praktische Arbeit relevant waren und sind.
   
Heute - nach Jahren des Pendelns zwischen eher wissenschaftlich und eher praktisch orientierten Arbeitsplätzen - denke ich, dass wir qualitative und quantitative Forschung brauchen, um typische Verläufe, Zusammenhänge und hilfreiche Interventionen zu erkunden. Und vor allem, um zieldienliche Strukturen der Versorgung von Betroffenen hoch belastender Ereignisse aufzubauen. Wir dürfen dabei jedoch nicht die Gefahr aus den Augen verlieren, dass Forschung, die nach dem "Allgemeingültigen" sucht, die Gefahr mit sich bringt, eine vermeintlich "allgemeingültige" Realität mitzukonstruieren - die Gefahr, aus Studienergebnissen Rückschlüsse auf den Einzelfall zu ziehen. Die Gefahr, einer Person mit Vorannahmen zu begegnen, weil wir vor dem ersten Kontakt mit ihr Informationen über sie erhalten haben, über bestimmte Merkmale und Gruppenzugehörigkeiten. Oder Informationen über das Ereignis, das der Person widerfahren ist. Wenn wir nicht die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es genau bei dieser Person ganz anders sein könnte, als Studien es als "typischen Verlauf" beschreiben, begegnen wir ihr mit Vorannahmen.

Vorannahmen und Überzeugungen beeinflussen unser Denken und Handeln. Unser eigenes und dadurch auch das unseres Gegenübers. Die psychologische Forschung hat diese Grundmechanismen x-fach belegt. Das bedeutet, dass wir im schlimmsten Falle im Kontakt mit der Person nicht auf sie selbst reagieren, sondern auf unsere Vorstellung von ihr, die wir uns im Vorfeld gemacht hatten. Die Auswirkungen solcher Vorannahmen sind im Umgang mit den Folgen hoch belastender Ereignisse von besonderer Tragweite.

Die Aufforderung muss deshalb sein, in jedem einzelnen Fall genau hinzuschauen und die Einzigartigkeit jeder Person und jeder Situation wahrzunehmen.

Das ist kein Widerspruch zu den Befunden der empirischen Sozialforschung. Im Gegenteil. Bei genauer Betrachtung haben wir sehr selten Studienergebnisse der Art, dass in 100 % der untersuchten Fälle ein Symptom aufgetreten wäre, eine Intervention wirksam gewesen wäre oder ein Zusammenhang in jedem Fall nachweisbar gewesen wäre.

Es geht also weniger um Kritik an Forschung, als vielmehr um den sensiblen und differenzierten Umgang mit ihren Befunden.

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Wenn Sie aus diesem Text zitieren, geben Sie bitte folgende Quelle an:
Treibel, Angelika (2020). Einige persönliche und grundlegende Gedanken zum Thema "Forschung" im Themenbereich "hilfreicher Umgang mit hoch belastenden Ereignissen".
[online im Internet]: www.angelika-treibel.de/erforschtes.html


     
Forschungsprojekte (Publikationsjahr in Klammer)

REMEMBER - Erinnerung an den Holocaust im Religionsunterricht
(2020)

Determinanten des Anzeigeverhaltens nach Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (2019)

Terrorismusfolgeabschätzung - Optimierung der psychosozialen Versorgungssituation potentieller Opfer eines terroristischen Anschlages in Deutschland (2013)

Alltagsvorstellungen über Gewaltopfer in Abhängigkeit von Delikt und Geschlecht - eine internetbasierte Studie (2008)

Bestandsaufnahme und Perspektive deutschsprachiger Internetangebote für Opfer sexueller Gewalt: eine Online-Befragung Betroffener (2004)